Subgruppen von Menschen mit Diabetes mellitus mit unterschiedlichen Informationsbedürfnissen aus der KORA-Studie: eine Latent Class Analysis

Sandra Grobosch1,2, Prof. Dr. Nicole Ernstmann3, Dr. Michael Laxy4, Prof. Dr. Dr. Andrea Icks, MBA1,2,5

1Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, Deutsches Diabetes-Zentrum (DDZ),
Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Träger: Deutsche Diabetes Forschungsgesellschaft e.V.
2Deutsches Zentrum für Diabetesforschung, München-Neuherberg
3 Forschungsstelle für Gesundheitskommunikation und Versorgungsforschung, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Bonn
4 Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, Helmholtz Zentrum München
5 Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

 

Hintergrund und Zielsetzung

Menschen mit Diabetes mellitus scheinen ein hohes Informationsbedürfnis zu haben. Vermutlich ist es sogar höher als bei Menschen mit anderen chronischen Erkrankungen. Obwohl angemessene Informationen eine Voraussetzung u.a. für ein effektives Selbstmanagement sind, ist derzeit nur wenig über Informationsbedürfnisse von Menschen mit Diabetes bekannt. Insbesondere fehlen Kenntnisse über die spezifischen Bedürfnisse innerhalb von Subgruppen, was eine gezielte Information erschwert. Ziele der Studie sind die Darstellung der Informationsbedürfnisse von Menschen mit Diabetes, die Identifizierung von Gruppen von Menschen mit Diabetes mit spezifischen diabetesbezogenen Informationsbedürfnismustern (Profilen) sowie die Analyse des Zusammenhangs zwischen den identifizierten Profilen und weiteren Faktoren, wie beispielsweise soziodemografischen Merkmalen.

Vorgehensweise

Das Projekt basiert auf einer Querschnittsstudie im Mixed-Methods Design und nutzte Daten der 2016 erhobenen KORA GEFU-4-Studie. Mittels eines validierten Fragebogens wurden Informationsbedürfnisse von Menschen mit Diabetes zu verschiedenen diabetesbezogenen Themen erhoben. Die quantitativen Daten wurden mit einer Latent Class Analysis analysiert, um Gruppen mit ähnlichen Informationsbedürfnismustern zu identifizieren. Zusätzlich wurden Assoziationen zwischen diesen Gruppen und weiteren Merkmalen analysiert. Die qualitativen Daten wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse beschrieben.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 837 Menschen mit Diabetes (54% männlich, 93% Typ-2-Diabetes, mittleres Alter 71 Jahre) eingeschlossen. Von den 480 Teilnehmenden, die die Frage zu dem aktuellen Wunsch nach diabetesspezifischen Informationen beantworteten, wollten 30% bis 40% Informationen zu den jeweiligen Themen haben. Priorisiert wurden von 443 Teilnehmenden vor allem Informationen zu Folgeerkrankungen, Behandlung/Therapie sowie zu Diabetesursachen. Bei den meisten Themen interessierten sich die Teilnehmenden besonders für klinische Wirkungszusammenhänge, Handlungsempfehlungen im Alltag sowie für neue Erkenntnisse. Es konnten insgesamt vier verschiedene Klassen mit folgenden Informationsbedürfnismustern erkannt werden: „hohe Wahrscheinlichkeit für ein Informationsbedürfnis zu allen diabetesspezifischen Themen“, „hohe Wahrscheinlichkeit für kein Informationsbedürfnis zu allen diabetesspezifischen Themen“, „mittlere Wahrscheinlichkeit für ein Informationsbedürfnis sowie mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zu komplikationsbezogenen und alltagsnahen Informationen“, „hohe Wahrscheinlichkeit für ein spezifisches Informationsbedürfnis zu Themen, die eher seltener im Kontext medizinischer Behandlungen angesprochen werden“. Die Klassen unterscheiden sich in verschiedenen Merkmalen signifikant voneinander: Alter, Ausbildungsjahre, Diabetestyp, Diabetesdauer, benannte Komorbidität, aktuelles Rauchverhalten, Teilnahme an einer Diabetesschulung, Grad der Informiertheit und nach der Einstellung zur Relevanz des aktuellen Wohlbefindens im Vergleich zu einem späteren Gesundheitszustand.

Relevanz für die Nationale Aufklärungs- und Kommunikationsstrategie

Im Sinne der patientenzentrierten Versorgung ist es notwendig, spezifische Informationsbedürfnisse von Betroffenen zu ermitteln und zu berücksichtigen, um gezielt Informationen bereitstellen zu können. Die Ergebnisse des Projektes können in diesem Sinne für eine patientenzentrierte Entwicklung der „Nationalen Aufklärungs- und Kommunikationsstrategie zu Diabetes mellitus“ genutzt werden, da sie Gruppen von Menschen mit Diabetes identifizieren, die über ein definiertes Profil des Informationsbedürfnisses verfügen.

Fazit

Die Ergebnisse des Projektes können einen personen- und bedürfnisorientierten Ansatz der Strategie unterstützen. Durch die identifizierte Vorhersagewahrscheinlichkeit der Informationsbedürfnisprofile unter Berücksichtigung verschiedener Personenmerkmale können mögliche Zielgruppen identifiziert und angesprochen werden.